Sportpsychologie Stefan Etzel

Auch die Teamdynamik entscheidet über den Ausgang des Spiels. (Foto: stock.adobe.com - C. D./peopleimages.com)

EM-Spezial

Was braucht es, um ein Champion zu sein?

Das Stadion tobt, alle Augen sind auf den Platz gerichtet und der Schiedsrichter gibt den Spielball frei: Jetzt ist mentale Stärke gefragt. Der Wirtschafts- und Sportpsychologe Prof. Dr. Stefan Etzel erklärt im Interview, wie psychologische Faktoren den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Er zeigt, welche Techniken Spieler nutzen, um unter Druck zu bestehen und was Manager von erfolgreichen Trainern lernen können.

Welche psychologischen Fähigkeiten sind Ihrer Meinung nach für einen erfolgreichen Fußballer am wichtigsten?
Die wichtigsten psychologischen Fähigkeiten für einen erfolgreichen Fußballspieler sind Aspekte der Selbstführung wie Fokus, Konzentration sowie Gedanken- und Emotionsmanagement. Diese Fähigkeiten helfen, im entscheidenden Moment die bestmögliche Leistung auf den Platz zu bringen. In der Kampfkunst spricht man von Selbstmeisterschaft. Darüber hinaus ist es entscheidend, die Wettkampfsituation anzunehmen und idealerweise auch genießen zu können. Aktuelle sportpsychologische Untersuchungen zeigen, dass Freude und positive Emotionen die Leistung verbessern können. Wenn unser Nucleus Accumbens aktiv ist und wir Freude empfinden, erbringen wir deutlich bessere Leistungen.

Wie können Spieler ihre mentale Stärke verbessern, um den Druck großer Turniere wie der Europameisterschaft standzuhalten?
Die Sportpsychologie bietet Techniken zur Stärkung des Selbstbewusstseins und der Glaubenssätze, um in herausfordernden Situationen stabil zu bleiben. Besonders wichtig ist es, Techniken zu nutzen, die helfen, den Fokus auf relevante statt angstauslösende Stimuli zu richten. Im sportpsychologischen Kontext ist die Frage „Was ist jetzt wirklich wichtig?“ zentral. Techniken wie Refokussierung und Normalisierung lenken unsere Reaktionen in die richtige Richtung. Wenn wir unseren erhöhten Herzschlag als Aktivierung und nicht als Angst interpretieren, kann das unsere Leistung steigern. Ein Beispiel ist die Aufregung vor einer Rede: Statt Panik zu empfinden, sollten wir den Herzschlag als positive Aktivierung sehen.

Welche Rolle spielt die Teamdynamik und wie beeinflusst sie die Leistung auf dem Platz?
Für den Erfolg eines Teams sind Rollenklarheit und Teamdynamik entscheidend. Rollenklarheit bedeutet, dass jeder weiß, welche Aufgabe er hat. Teamdynamik bezieht sich auf die Teamentwicklung: Hat sich das Team gefunden? Haben wir Regeln etabliert, wie wir gemeinsam unser Ziel verfolgen wollen? Der wichtigste Punkt ist die Zielklarheit. Alle müssen sich zu 100% auf das gemeinsame Ziel committen und persönliche Interessen unterordnen. Dies fördert den Zusammenhalt und die Bereitschaft, sich bedingungslos für den anderen einzusetzen. In unserer Gesellschaft, die Individualität und Diversität schätzt, kann das für manche schwierig sein. Für den gemeinsamen Erfolg ist es jedoch unerlässlich.


Zur Person

Der Wirtschafts- und Sportpsychologe Dr. Stefan Etzel lehrt seit 2009 als Professor an der FOM Hochschule. Zudem ist er Geschäftsführer der Firma PROFECON und Gründer von pro facts assessment & training. Zuletzt erschienen ist von ihm und Martin Herz Behrend: „Meine Ziele immer klar vor Augen!“ über die Persönlichkeit und Tenniskarriere von Tomás Behrend.


 

Welche Prinzipien aus der Sportpsychologie lassen sich auf das Management von Teams in der Arbeitswelt übertragen, um die Leistung zu steigern?
Zwischen der Sportpsychologie und der Wirtschaftspsychologie gibt es viele Parallelen. Zentrale Aspekte sind zunächst die Selbstführung: Wie kann ich andere führen, wenn ich mich selbst nicht führen kann? Ergänzt wird dies durch Themen wie Selbstbild und Fremdbild, also die realistische Einschätzung der eigenen Person. Auch Kommunikation, Konfliktmanagement und charismatisches Auftreten sind in beiden Bereichen wichtig. Diese Prinzipien sind besonders für Führungskräfte relevant, die ihre Mitarbeitenden effektiv führen und motivieren möchten. Wenn Menschen sich realistisch einschätzen und gut kommunizieren, ist die Zusammenarbeit und Leistungserbringung optimal.

Was können Manager von Fußballtrainern lernen, um die Motivation und Resilienz ihrer Mitarbeitenden zu fördern?
Ein besonders wichtiger Aspekt ist das sogenannte Pygmalion-Leadership oder der Rosenthal-Effekt. Es geht dabei darum, dass Menschen so werden, wie sie gesehen werden. Ich habe oft den Eindruck, dass manche Führungskräfte ihren Mitarbeitenden vermitteln, sie seien wenig kompetent. Das Ergebnis ist, dass diese sich auch entsprechend verhalten. Erfolgreiche Trainer machen es besser: Sie schenken ihren Spielern Vertrauen und geben ihnen das Gefühl, wichtig für das Team zu sein. Dieses Vertrauen wird häufig zurückgezahlt, da sich die Spieler entsprechend der positiven Erwartungen entwickeln. Manager können von dieser Herangehensweise lernen, um die Motivation und Resilienz ihrer Mitarbeitenden zu stärken.

 

Die Fragen stellte David Knapp

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