ChatGPT: „Ich sehe nichts, was man verbieten sollte“
Im Interview erläutert Prof. Dr. Esther Bollhöfer, Dozentin für IT- und Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule in Mannheim, welche Vorteile ChatGPT für Studierende bietet.
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Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitswelt (Foto: Nitcharee - stock.adobe.com)
Experteninterview: Arbeitslos durch KI?
Fast jeder vierte Beschäftigte in Deutschland fürchtet KI-bedingt um seinen Job – das ergab der Future Consumer Index 2023 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Doch bedrohen neue Technologien wirklich unsere Arbeitsplätze? FOM Professor Dr. Dirk Stein, Ökonom und Experte für Digital Business, gibt im Interview eine Einschätzung zur aktuellen Entwicklung.
Lesen Sie hier das ganze Interview.
Herr Professor Stein, Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitswelt. Nimmt KI uns jetzt den Arbeitsplatz weg?
Prof. Dr. Dirk. Stein: Es gibt bislang keinerlei Evidenz dafür, dass uns durch den Einsatz neuer Technologien Arbeitslosigkeit droht. Ganz im Gegenteil: Allein schon aufgrund des demographischen Wandels wird in Zukunft niemand ohne Arbeit sein. Ein paar Beispiele: Uns fehlen schon heute jährlich 15.000 LKW-Fahrer – autonomes Fahren auf Autobahnen und Landstraßen ist die einzige Möglichkeit, dass im Supermarkt die Regale voll bleiben. Hotels können bald ohne Robotik ihre Serviceleistungen nicht mehr erbringen, da schlichtweg das Personal fehlt – oder nur zu enormen Kosten, die der Kunde nicht tragen kann oder will. Versicherungen verlieren bis zu 60 Prozent ihrer Belegschaft, weil die Babyboomer in Rente gehen – und dieser Effekt zieht sich durch sämtliche Branchen. Wir sind also dringend auf KI angewiesen! Was sich ändern wird, sind unsere Aufgaben, unsere Jobrollen. Natürlich werden auch Jobrollen wegfallen, zum Beispiel im Bereich Datenerfassung. Wir müssen daher bereit sein, Neues zu lernen. Wer sich darauf einlässt, bleibt in der Arbeitswelt relevant.
Wie lässt sich Menschen die Sorge nehmen, durch eine KI ersetzt zu werden?
Prof. Stein: Es ist unglaublich wichtig, den Menschen eine psychologische Sicherheit zu bieten. Unternehmen müssen ihre Angestellten auf ihrer Reise mitnehmen. Offen kommunizieren, dass sie sich in einer Transformation befinden, dass sich Jobprofile ändern können. Auch Partizipation spielt eine große Rolle: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gemeinsam überlegen, wie man KI auf allen Ebenen nutzen kann. Bei Unternehmen mit Mitbestimmungsorganen kann und sollte diese Zusammenarbeit zum Beispiel über den Betriebsrat erfolgen. Ich empfehle auch, auf Yasmin Fahimi zu verweisen: Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds betonte letztes Jahr im Handelsblatt, dass uns nicht die Arbeit ausgehe – sondern angesichts des Fachkräftemangels eine Produktivitätssteigerung durch Digitalisierung sinnvoll sei.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz birgt aber auch Risiken: bei Haftungsfragen, beim Datenschutz…
Prof. Stein: Das stimmt, doch die Reihenfolge der gesellschaftlichen Diskussion läuft falsch. Wir sollten nicht im ersten Schritt über die Risiken reden. Die erste Überlegung muss sein: Was sind die Chancen? Und dann geht’s ans Bewerten: Wie können wir mögliche Risiken abfedern? 1886 ging mit dem Benz-Patent-Motorwagen das erste Automobil auf die Straße. Erst mehrere Jahrzehnte später wurde mit der Straßenverkehrsordnung der Verkehr reguliert. Bei der Künstlichen Intelligenz gehen wir aktuell den genau umgekehrten Weg. In der EU berauben wir uns meiner Meinung nach an Lösungsräumen – ohne im ersten Schritt überhaupt zu schauen, was eigentlich möglich ist.
Warum ist das Ihrer Meinung nach so kritisch?
Prof. Stein: Die Europäische Union ist Weltmeister der Regulierung. Das hat zur Folge, dass Unternehmen ins Nicht-EU-Ausland gehen – oder dort KI-Lösungen pilotieren und testen. Wir verlieren auch hochrangige Experten. Bestes Beispiel: Jürgen Schmidthuber, einer der führenden Fachexperten und „Vater“ der modernen KI, forscht mittlerweile nicht mehr in Europa, sondern an der saudi-arabischen KAUST-Universität. Andere Länder haben längst verstanden, wie wichtig die Investition in KI ist. Die chinesische Bevölkerung wird sich laut Prognosen bis 2100 halbieren, deswegen ist China so progressiv in der Umsetzung digitaler Lösungen. Saudi-Arabien wird in Kürze damit beginnen, 100 Milliarden US-Dollar in KI zu investieren – Deutschland gerade einmal 1,6 Milliarden Euro. Wir verpassen hier den Anschluss. Was wir jetzt brauchen, ist ein Mindset-Change – in der Gesellschaft, in der Politik, in der Wirtschaft. Uns mangelt es nicht an Wissen und Experten. Deutschland priorisiert die Investitionen meiner Meinung nach falsch und hat – auch durch die EU bedingt – ein Umsetzungsproblem.
Das Interview führte Sissy Niemann.
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