ChatGPT: „Ich sehe nichts, was man verbieten sollte“
Im Interview erläutert Prof. Dr. Esther Bollhöfer, Dozentin für IT- und Wirtschaftsrecht an der FOM Hochschule in Mannheim, welche Vorteile ChatGPT für Studierende bietet.
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Künstliche Führung: Science Fiction oder schon bald Realität?
Experteninterview: So verändert sich die Führung
Ein Avatar als Vorgesetzter, ein Roboter als CEO: Kann und wird KI menschliche Führungskräfte ersetzen? „Wir müssen die Unternehmensführung radikal neu denken“, sagt FOM Professor Dr. Dirk Stein, Ökonom und Experte für Digital Business. Im Interview werfen wir einen Blick in die Zukunft.
Herr Prof. Stein, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch nehmen. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels gewinnt der „Kollege KI“ zunehmend an Bedeutung. Warum sind wir so dringend auf ihn angewiesen?
Prof. Dr. Dirk. Stein: Die Babyboomer-Generation erreicht das Rentenalter, mit gravierenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Wir sprechen hier von fast 13 Millionen Beschäftigten, die bis 2036 wegfallen. Das sind knapp 30 Prozent aller Erwerbstätigen! Das kann dazu führen, dass Unternehmen ihr operatives Geschäft nicht mehr sicherstellen können. Dass sie gezwungen werden, zu fusionieren – oder sogar ganz verschwinden. Der „Babyboomer-Effekt“ zieht sich durch sämtliche Branchen und lässt sich ohne den Einsatz von KI nicht mehr auffangen. Wir haben keinen Fachkräftemangel – wir haben einen Arbeitskräftemangel! Wenn wir jetzt nicht handeln, droht uns ein dramatischer Wohlstandsverlust.
Was empfehlen Sie Unternehmen, um den Personalmangel aufzufangen?
Prof. Stein: Punkt eins: Babyboomer länger im Unternehmen halten. Es geht hier nicht nur um Arbeitskräfte, sondern auch um Wissen, das mit dieser Generation potenziell verloren geht. Wissen, das schnellstmöglich konvertiert werden muss. Punkt zwei: Eine klare Bestandsaufnahme machen. Jede Führungskraft schaut sich seine Abteilung, seinen Bereich an: Welche Aufgaben sind repetitiv, wiederholen sich wöchentlich, monatlich, jährlich – und lassen sich digitalisieren oder über eine KI lösen? Ich empfehle, hier klare Vorgaben zu machen. Zum Beispiel: 30 Prozent der Arbeit muss bis zum Zeitpunkt X digitalisiert bzw. automatisiert sein. Das wäre ein guter Anfang.
Wir sprechen also von KI-Einsatz auf der operativen Ebene?
Prof. Stein: Nein, das Demografie-Problem haben wir genauso auf der strategischen Führungsebene. Wir müssen die Unternehmensführung daher radikal neu denken. Eine Künstliche Intelligenz kann eine Vielzahl von Führungsaufgaben übernehmen: strategische Analysen, Marktbeobachtungen, Compliance-Aufgaben… und eben auch Führungsaufgaben am Menschen, sprich konkrete Arbeitsanweisungen geben. Allein schon der Wettbewerb wird uns dazu zwingen, die Unternehmensführung mit KI zu ergänzen. Es wird in Zukunft darauf ankommen, das Bestandsgeschäft so effizient wie möglich zu führen. Nur so bleibt Zeit und Raum, das Innovationsgeschäft voranzutreiben. Die Aufgabe ist jetzt, eine passende Arbeitsteilung zwischen Mensch und KI zu finden. Führungskräfte können sich über diese Entwicklung freuen: KI kann erfolgreicher machen und sogar helfen, gesund zu bleiben.
Können Sie das näher erläutern?
Prof. Stein: Stichwort Mental Health: Eine Studie der Universität St. Gallen hat ergeben, dass Führungskräfte völlig überlastet und erschöpft sind. Wir Menschen sind nicht in der Lage, die Menge an Informationen – und in ihrer Schnelligkeit, mit der wir sie bekommen – auch nur ansatzweise zu verarbeiten. Wir müssen also dafür sorgen, dass Künstliche Intelligenz uns eine Art „Superpower“ verleiht. Nehmen wir einen Hotelmanager: Stellen wir uns vor, es kam über Nacht zu 50 unvorhergesehenen Hotelbuchungen. Das Problem: Es ist zu wenig Personal vor Ort. Was passiert: Der Adrenalinspiegel des Hotelmanagers steigt, sein Tag beginnt mit Stress. Doch was wäre, wenn sein KI-Sparringspartner – der nicht schläft und 24/7 arbeitet – bereits zusätzliches Personal organisiert und das Problem längst gelöst hat?
Wie sieht es denn mit der Akzeptanz aus? Wollen sich Menschen von einer KI führen lassen?
Prof. Stein: Ja und nein. In einer Studie mit MBA-Absolventen wurde eine Gruppe von einer KI im transformationalen Stil, das heißt motivierend, geführt. Das Feedback der Studienteilnehmer war dabei sehr positiv. Anders sah es jedoch aus, wenn es um Kritik ging – diese wurde weniger gut aufgenommen. Wir Menschen glauben immer noch, dass wir es besser wissen als eine KI. Hier spielt also viel Psychologie mit rein. Um die Akzeptanz zu steigern, ist es umso wichtiger, dass man ihren Einsatz in der Unternehmensführung vorlebt. Eine KI ist für viele Menschen zudem leichter zu akzeptieren, wenn wir sie emotionalisieren, ihr einen Namen oder sogar ein Gesicht geben. Die Führungskraft der Zukunft könnte zum Beispiel ein humanoider Roboter sein. Oder ein Avatar, der mit uns spricht.
Ihre Einschätzung: Wie sieht die Führungsebene in 10 bis 20 Jahren aus?
Prof. Stein: Wenn es auf Intuition ankommt oder Softskills gefragt sind, da ist der Mensch der KI auch in Zukunft überlegen. Fakt ist aber auch: Die Entwicklung geht klar von Digital Leadership hin zu Artificial Leadership, zu wortwörtlich künstlicher Führung – diesen Ansatz hat Prof. Dr. Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen entwickelt. Meine Prognose: Neue Unternehmen, die auf ein rein digitales Business setzen, zum Beispiel Software-Produzenten oder Market Places, brauchen nicht zwingend Menschen auf C-Level-Positionen. Das ist Algorithmus-Business – da kann eine Künstliche Intelligenz sogar alleiniger CEO sein, wenn der rechtliche Rahmen das zulässt. Dann gibt es Unternehmen, die aus der analogen Welt kommen. Die sich gerade transformieren und sowohl physische Produkte als auch digitale Produkte und Services anbieten. Hier wird es einen menschlichen CEO geben, daneben einen menschlichen HR-Geschäftsführer und eine KI als Co-Geschäftsführer, der die anderen C-Level-Positionen – wie Finanzen, Marketing und Vertrieb – in sich vereint. Die Aufgaben und Jobprofile auf der obersten Führungsebene werden sich deutlich verändern und verschieben.
Das Interview führte Sissy Niemann.
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