Wirtschaftspsychologin Mira Fauth-Bühler

Unser Einkaufsverhalten ist nicht immer rational – Prof. Dr. Mira Fauth-Bühler weiß, warum das so ist. (Foto: Tanja Liebmann-Décombe, Grafik: Burcunur Czyz/FOM)

Interview: Hamsterkäufe vor Ostern

Wenn Emotionen den Einkaufswagen steuern

Trotz gesicherter Versorgung greifen viele beim Kauf der Ostereier überstürzt zu. Die Furcht vor Knappheit aktiviert uralte Impulsmechanismen und wird durch mediale Berichte noch verstärkt. Wirtschaftspsychologin Prof. Dr. Mira Fauth-Bühler erklärt, wie Emotionen, Herdentrieb und selbsterfüllende Prophezeiungen unser Kaufverhalten beeinflussen.

Frau Professorin Dr. Fauth-Bühler, warum reagieren Menschen so stark auf die Ankündigung einer möglichen Ostereier-Knappheit – obwohl die Versorgung laut Experten gesichert ist?
In unsicheren Situationen handeln wir häufig irrational. Durch sogenannte Hamsterkäufe versuchen wir, ein Stück Kontrolle zurückzugewinnen – zumindest im Kleinen. Zusätzlich verstärkt der Herdentrieb unser Verhalten. Wenn wir sehen, dass viele Menschen plötzlich mehr Eier kaufen, sei es im Supermarkt oder in den sozialen Medien, ahmen wir dieses Verhalten unbewusst nach. Bilder von leeren Regalen oder Berichte über Hamsterkäufe verbreiten sich rasant und verstärken das Gefühl, ebenfalls handeln zu müssen, um nicht leer auszugehen.

Welche Rolle spielen Emotionen wie Angst oder Kontrollverlust beim impulsiven Kaufverhalten?
In Gefahrensituationen werden entwicklungsgeschichtlich ältere Hirnareale aktiviert. Diese Areale, wie beispielsweise die Amygdala, sind darauf ausgelegt, schnell auf Bedrohungen zu reagieren – ein Mechanismus, der in der Frühgeschichte der Menschheit überlebenswichtig war. Auch wenn sich evolutionär neuere Strukturen wie der präfrontale Kortex weiterentwickelt haben und uns bei rationalen Entscheidungen unterstützen, bleibt die grundlegende Reaktion auf Angst und Unsicherheit weitgehend unbewusst und automatisch. In solchen Momenten wird ein Reiz-Reaktions-Schema aktiviert, das zu schnellen und impulsiven Handlungen führt – ohne dass wir reflektieren, ob diese Reaktion sinnvoll ist. Die Angst vor einem Mangel, etwa beim Einkauf von Eiern, kann also dazu führen, dass wir impulsiv und irrational handeln.

Inwiefern beeinflussen Medien unser Konsumverhalten – vor allem bei saisonalen Produkten wie Ostereiern?
Medien beeinflussen unser Konsumverhalten erheblich – auch bei saisonalen Produkten wie Ostereiern. Ein zentraler psychologischer Mechanismus ist dabei die selbsterfüllende Prophezeiung: Wenn Medien über eine mögliche Knappheit berichten, kann diese allein durch das veränderte Verhalten der Konsumenten tatsächlich eintreten. Eine erhöhte Nachfrage steigert die Knappheit, obwohl ursprünglich keine reale Versorgungslücke bestand. Hinzu kommt: Knappheit macht Produkte begehrenswerter. Je seltener etwas erscheint, desto stärker wächst der Wunsch, es zu besitzen. Dieser Effekt wird durch mediale Berichterstattung zusätzlich verstärkt und kurbelt die Nachfrage weiter an. Gleichzeitig führt die Wahrnehmung einer eingeschränkten Kauf-Freiheit zu sogenannter Reaktanz – einem psychologischen Phänomen, bei dem wir uns gegen wahrgenommene Einschränkungen auflehnen und aus Protest noch mehr kaufen, um Kontrolle zurückzugewinnen.

Die Fragen stellte David Knapp

Zur Person

Prof. Dr. Mira Fauth-Bühler ist seit 2017 Professorin für Wirtschaftspsychologie & Neuroökonomie an der FOM Hochschule in Stuttgart. Nach dem Diplom in Psychologie und einem anschließenden Master in Neuro- und Verhaltenswissenschaften promovierte sie an der International Max Planck Research School in Tübingen. Forschungsaufenthalte führten sie unter anderem an das King’s College London und die University of Cambridge. Am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit leitete sie viele Jahre eine Forschungsgruppe zu psychischer Gesundheit und Hirnforschung.  Ihre mehr als 160 Publikationen (h-Index: 45) spiegeln ihre Expertise wider, die sie neben Forschung und Lehre auch in Beratung, Coaching und Weiterbildung einbringt. Ein besonderes Anliegen ist ihr zudem die Wissenschaftskommunikation.

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