Wie Sie Gelassenheit im Alltag erlernen

Herr Professor Däfler, warum fällt es uns heute so schwer, gelassen zu bleiben?
Da wäre ein ganzer Cocktail an Gründen zu nennen. Lassen Sie mich nur die wichtigsten „Zutaten“ erwähnen. Da ist zum einen natürlich die unglaubliche Beschleunigung in allen Lebensbereichen, maßgeblich getrieben durch die Digitalisierung, die uns stresst. Zum anderen ist es der Druck, den wir uns selbst machen, Stichwort „FOMO“, also die Fear of Missing Out. Und schließlich haben wir in den westlichen Ländern die Verhältnismäßigkeit verloren – selbst kleinste Dinge werfen uns aus der Bahn. In etlichen Teilen der Welt würde man über unsere Probleme nur den Kopf schütteln.

Was sind typische Stressauslöser, die Ihnen besonders häufig in Ihren Coachings begegnen?
Den typischen Auslöser gibt es nicht, wohl aber eine Gemeinsamkeit. Stress hat immer etwas mit Kontrollverlust zu tun, also zu glauben, die Situation selbst nicht oder nicht mehr im Griff zu haben. Oft ist es die Vielzahl an Aufgaben und Verpflichtungen – im Job, wie auch im Privatleben, die Menschen an oder über die Belastungsgrenze bringen. Häufig führen zudem belastete Beziehungen zu Kollegen, Vorgesetzten oder Partnern und Familienmitgliedern zu chronischem Stress.

In Ihrem neuen Buch „Gelassenheit für Eilige“ stellen Sie Ihre „3x3-Flow-Methode“ vor. Was steckt dahinter?
Im Laufe der Zeit wurde mir immer klarer, dass wir beim Thema Stress kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem haben. Die meisten Menschen wissen sehr wohl, was sie tun müssten, aber sie haben entweder nicht die Zeit, den Antrieb oder die Disziplin, um an den Ursachen anzusetzen. Deshalb habe ich eine Art „Mini-Meditation“ entwickelt, die wirklich jeder in den Alltag integrieren kann. Sie besteht aus 22 Bausteinen, die man sich individuell zusammenstellen kann.

Wodurch zeichnen sich gelassene Menschen denn überhaupt aus?
Da gibt es nicht ein einziges Merkmal. In sich ruhende Personen sind vor allem mit sich selbst zufrieden und akzeptieren sich so, wie sie sind. Außerdem verfügen sie über ein großes Maß an Empathie und Dankbarkeit. Und schließlich beherrschen sie die Kunst, „Nein“ sagen zu können; es fällt ihnen leicht, Prioritäten im Leben zu setzen. Sie müssen nicht überall auf dem Siegertreppchen stehen und nicht auf allen Hochzeiten tanzen.

 

An der FOM Hochschule studieren heißt: Berufsalltag, Studium und Privatleben miteinander zu vereinbaren. Kann das mit Gelassenheit gelingen?
Ich unterrichte ja nun seit mehr als 15 Jahren an der FOM und habe einige Tausend Studierende kennenlernen dürfen. Ganz klar: Nicht alle kommen gleichermaßen gut mit der Doppel- oder manchmal auch Dreifachbelastung zurecht. Da ist – wie ich gerade sagte – zunächst einmal der Verzichtsaspekt der Gelassenheit gefragt. Für die Dauer des Studiums muss man zwangsläufig manches lassen – das steckt schon im Wort GeLASSENheit drin –  was einem zuvor Spaß gemacht hat. Auch hilft es, das wahre Ausmaß von Problemen und Sorgen zu erkennen. Die Klausur, die man verhauen hat, bedeutet nicht den Weltuntergang.

Wenn Sie einer furchtbar gestressten Person nur einen einzigen Tipp geben dürften, welcher wäre das?
Nehme dir dreimal am Tag zwei Minuten Zeit und mache die 4-6-8-Atemübung. Stelle dich ans geöffnete Fenster, schließe die Augen und atme – bis 4 zählend – ein, halte den Atem an – auf 6 zählen – und lasse den Atem langsam ausströmen – dabei bis 8 zählen. Auch wenn sich das simpel anhört – es hat eine sofort entspannende Wirkung. Einfach mal ausprobieren!

Die Fragen stellte David Knapp