In der Sozialarbeit wird händeringend Personal gesucht. Nun geht die Babyboomer-Generation nach und nach in Rente. Welche Folgen hat das für den sozialen Sektor?
Die Lage wird sich weiter verschärfen. Seit mehreren Jahren ist die Sozialarbeit am härtesten vom Fachkräftemangel betroffen, und nicht etwa der IT-Sektor oder das Ingenieurwesen. Das zeigt auch eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), wonach es die größte Lücke an Fachkräften in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik gibt. Das Problem ist, dass es für die offenen Stellen keine entsprechenden Bewerberinnen und Bewerber gibt.
Woran liegt das?
Die Sozialarbeit ist immer noch mit Klischees behaftet. Dabei bietet sie attraktive und praktische Berufe, die sehr spannend und vielseitig sind, Aufstiegsmöglichkeiten bieten und im öffentlichen Sektor auch gut entlohnt werden. Dieses Bild muss verstärkt nach außen getragen werden. Zum Beispiel ist das Ansehen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und deren Bezahlung in Nachbarländern wie den Niederlanden und der Schweiz besser, weshalb Fachkräfte aus dem Ausland eher dorthin gehen und nicht zu uns nach Deutschland kommen.
Wie kann ein berufsbegleitendes Studium dabei helfen, das Problem zu entschärfen?
Für viele Stellen braucht es einen Studienabschluss. Wenn ein Träger bestimmte Stellen nicht mit einer Fachkraft besetzt, kann es sein, dass dafür keine Refinanzierung durch den Kostenträger erfolgt. Deswegen spielt die Akademisierung eine wichtige Rolle, was wir auch an der großen Nachfrage nach unseren Bachelor- und Masterstudiengängen „Soziale Arbeit“ und an immer mehr Kooperationspartnern aus dem sozialen Bereich sehen. Viele öffentliche, private und freie Träger bieten mittlerweile ihren Mitarbeitenden ein berufsbegleitendes Studium an, um bestehendes Personal zu halten und sich ihre eigenen Fachkräfte auszubilden.
Inwieweit verändern sich auch die Anforderungen an Mitarbeitende im sozialen Bereich?
Der Bedarf nach Betreuung, Beratung und Begleitung wird steigen – zum Beispiel von älteren Menschen aufgrund der demografischen Entwicklung und von Geflüchteten, die aus der Ukraine oder über die Balkanroute nach Deutschland kommen. Aber auch beim Jugendamt, in Kindergärten und Schulen ist der Bedarf sehr groß. Bereits heute kommt kaum eine Schule ohne eine Sozialarbeiterin oder einen Sozialarbeiter aus. Corona hat die Situation noch einmal verschärft.
Sorgt der steigende Beratungs- und Betreuungsbedarf auch dafür, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in immer mehr Bereichen gefragt sind?
Das Schöne ist, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter überall eingesetzt werden können – und überall gefragt sind. Sie können in der Wohlfahrtspflege, in öffentlichen Einrichtungen und in der Privatwirtschaft einen Job finden. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Mitarbeitenden in vielen Unternehmen immer älter werden und kaum junges Personal nachkommt. Deswegen werden auch das betriebliche Gesundheitsmanagement und die betriebliche Sozialarbeit immer wichtiger. Aus gesundheitlicher Sicht werden Angebote gemacht, damit Mitarbeitende fit bleiben, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter wiederum bieten unter anderem eine Familien- und Konfliktberatung an. Und auf all diese Tätigkeiten im sozialen Bereich werden Studierende des Bachelor- oder auch des Masterstudiums „Soziale Arbeit“ vorbereitet.