Prof. Dr. Heinemann, was zeichnet für Sie Künstliche Intelligenz aus, die nach ethischen Prinzipien funktioniert?
Wir müssen unterscheiden, was technisch möglich und was verantwortlich ist. Am Beispiel von ChatGPT sehen wir, dass die Technologie in kurzer Zeit enorme Sprünge gemacht hat. Doch nur weil etwas möglich ist, heißt es nicht, dass es gut und richtig ist. In der Diskussion um ein Ethik-Label für KI finden sich Prinzipien wie Transparenz, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Schutz der Privatsphäre. Ich bin jedoch nicht davon überzeugt, dass sich KI allein mit diesen Werten auf freiwilliger Basis kontrollieren lässt. In Europa werden KI-Entwicklungen und -Anwendungen ohnehin reguliert. Die Vorgaben sollten streng sein, wenn es angezeigt ist – also KI beispielsweise missbraucht wird – und lockerer werden, wenn die sinnvolle KI-Nutzung ohne Not erschwert wird. Dennoch sind wir in einer Situation angekommen, in der wir aufpassen müssen, dass wir weiter am Steuer sitzen und nicht zum Co-Piloten werden. Denn es ist ein wichtiger Unterschied, ob ich KI an menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten messe oder andersherum – und letzteres ist aktuell der Fall.
Was bedeutet das für die weitere Entwicklung von KI?
Ich würde starke KI, die in unsere eigene Existenz eingreifen könnte, verbieten und unter Strafe stellen – ebenso wie die Generierung von Fakes und die manipulative Einflussnahme durch KI. In unserer Gesellschaft sind die Fähigkeiten, zu denken, zu sprechen, zu schreiben und zu koordinieren ziemlich wichtig und das sollten wir nicht aus der Hand geben. Wir werden jedoch nicht darum herumkommen, auch die Chancen von KI zu nutzen. Diese Technologie bietet zweifelsohne viele Vorteile für Gesellschaft und Wirtschaft, wenn sie menschengerecht und temperiert, also mit Bedacht, eingesetzt wird. Niemand kann radikale KI-Stürmer wollen, genauso wenig wie unkritische KI-Enthusiasten.
In welchen Bereichen können wir denn von KI profitieren?
Wenn wir KI auf ihren Platz verweisen, dann sind die Einsatzfelder vielfältig. Sie wird bei der Bewältigung der Klimakrise helfen, zum Beispiel durch bessere Datenkontrolle und eine sinnvolle Verteilung von Energie. In der Arbeitswelt kann sich KI um bürokratische Prozesse und repetitive, eher langweilige Tätigkeiten kümmern. Das ist jedoch nur vernünftig, wenn Personal dann nicht entlassen wird, sondern dazu beitragen kann, die Servicequalität zu erhöhen. Im Bildungsbereich kann KI als Sparringspartner dienen, der uns inhaltliche Vorschläge macht. Diese sollten wir zunächst kritisch bewerten, ohne sie gleich zu übernehmen. Wir müssen schlichtweg begreifen, dass KI ein Instrument ist und bleibt und wir nur eine stabile Gesellschaft haben werden, wenn wir sie sinnvoll integrieren und die Vorteile für alle nutzbar machen.
Sehen Sie also die Gefahr, dass KI zur Spaltung der Gesellschaft führen kann?
Wer sich nicht ausreichend mit KI beschäftigt oder nicht die Möglichkeit dazu hat, wird irgendwann ein Problem haben. Vor allem Berufe, in denen primär gedankliche und kreative Arbeit gefragt ist, sind betroffen. Das sind alles ehrenwerte und wichtige Jobs, aber es ist derzeit nicht absehbar, dass diese Fähigkeiten langfristig im gleichen Umfang wie jetzt gebraucht werden. Deswegen habe ich die Sorge, dass wir in ein Szenario laufen könnten, das uns als Gesellschaft nicht guttun wird. Umso wichtiger ist es, dass wir die Technologie verantwortlich nutzen und nicht das, was uns selber zu Unmoral verführt, weiter ausbauen.
Prof. Dr. Stefan Heinemann lehrt im
Master-Studiengang Business Consulting & Digital Management (M.Sc.)
Im Master-Studiengang Business Consulting & Digital Management (M.Sc.) lernen Sie, den digitalen Wandel in Unternehmen zu gestalten und ganzheitlich zu begleiten. Dazu zählen neben der Erstellung von Business-Plänen auch ethische Fragen – zum Beispiel zur verantwortlichen Nutzung von KI.
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Damit sprechen Sie ein aktuelles Problem an: Mit KI lassen sich beispielsweise Bilder und Videos manipulieren und Stimmen täuschend echt imitieren. Wie sollte man gegen solche Deepfakes vorgehen?
Grundsätzlich sollte es für von KI generierte Inhalte eine Kennzeichnungspflicht geben. Allerdings löst es das Problem nicht, wenn ich mir ein Bild runterladen und mit einfachen Mitteln so zuschneiden kann, dass der KI-Hinweis nicht mehr zu sehen ist. Für Kommunikation sollte immer das Prinzip der Wahrhaftigkeit gelten. Und Deepfakes sind für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im höchsten Maße gefährlich und sollten deswegen verboten werden.